Absehbare Vergänglichkeit

Brandmal oder Branding-Mall?

Als baulicher Ausdruck des späten Neoliberalismus landete die Mall of Switzerland im innerschweizerischen Ebikon. Äusserlich gleicht sie jener Bubble, die ihre Nutzung im Inneren erschafft. Im Wandel der Typologie wittert Dieter Geissbühler die Ästhetik der Ruine. Diese erstickt jedoch in gestalterischer Belanglosigkeit.

1 Beat Wyss, Die Welt als T-Shirt : Zur Ästhetik und Geschichte der Medien; Köln 1997, S.13.

Ebikon

Ciudad Lineal

Schindler

Camp David 1982

Der folgende Text umfasst fünf Episoden mit zwei kleinen Einschüben zu Kitsch und zum neoliberalen Handshake, zu einem Phänomen, das in sich die Frage nach der Rolle der Architektur in der digitalen Transformation trägt, aber auch in seinem Geschichtsbezug eine hohe Aktualität besitzt. Der eine Einschub zum Kitsch ergab sich als Trouvaille während des Schreibens. Bei der Suche nach Beat Wyss’ Buch Die Welt als T-Shirt, das ich zur Ergründung der Rolle der äusseren Erscheinung heranziehen wollte, fanden sich im Bücherstapel neben dem Bett, wo der Band geschlummert hatte, noch zwei weitere Werke, die in der Folge aus ihrem Schlaf gerissen wurden: Umberto Eco, Im Labyrinth der Vernunft, und Jean-Luc Godard, Liebe Arbeit Kino. Der andere Einschub, das Bild von Maggie Thatcher und Ronald Reagan 1982 in Camp David, ist ein fast schon beharrlicher Wegbegleiter in meinem Kopf, als Ikone der neoliberalen Verwilderung. 

Die Mall of Switzerland in Ebikon nahe Luzern befindet sich als schwächelndes bauliches Phänomen gerade in einer Phase eines äusserst spannenden Wandels. Konsumtempel wie dieser erhalten durch die Digitalisierung des Marktes fundamentale Konkurrenz. Und auch wenn die Mediensprecherin der Mall of Switzerland darauf verweist, dass sich diese über die Jahre durchsetze und den Medien noch im Jahr 2024 die jüngsten Erfolgsschritte ausgewiesen werden sollen, bleiben Zweifel, ob hier nicht gerade mit massiven finanziellen Mitteln versucht wird, das unausweichliche Ende hinauszuzögern. Regelmässige Mieterwechsel seien Fakt und würden zum Geschäft dazugehören. Die aktuelle Suche nach einem starken Ankermieter macht allerdings stutzig in einem Gefäss, das sich eigentlich dem dauernden Wechsel verschrieben hat. Nur einer von mehreren paradoxen Aspekten, und darum lohnt sich der etwas ausführlichere Blick entlang der klassischen architektonischen Betrachtung in den unterschiedlichen Massstabsebenen: Vom urbanen Werden eines Bautypus bis zu seiner physischen Präsenz. Und gegebenenfalls der Versuch einer Interpretation des Gesehenen, nicht weil es sich um ein Stück herausragender Architektur handeln würde, sondern weil darin massgebliche Aspekte des Verschwindens von Architektur gesehen werden können, zumindest von mir gesehen werden.

Mall of Switzerland, Ebisquare 1

Hier musste offenbar selbst die Adresse neu gefunden werden. Eine lokale Verankerung mit einem historischen Flurnamen etwa oder aber gar die Einordnung in die Reihe der Gebäude entlang der Zugerstrasse wäre ja dem gewählten Branding «Mall of Switzerland» (immerhin nicht «Mall of Europe») kaum gerecht geworden.

Sie verlassen Luzern auf der Zugerstrasse Richtung Zug respektive Zürich auf einer mehr als fünf Kilometer langen Geraden, so Sie denn mit dem Auto unterwegs sind. Mit dem Fahrrad würden Sie wohl eher eine parallele, weniger befahrene Strecke wählen, und mit dem Zug folgen Sie, in praktisch gleichbleibendem Abstand, dieser alten Wegachse von Luzern nach Zürich. Der Einfachheit halber, denn eine Architekturreise hierher drängt sich nicht auf, können Sie die Strecke auf Google Maps – Zugerstrasse, Ebikon Richtung Norden – gut nachverfolgen. Sie werden insofern kaum mit visuellen Überraschungen konfrontiert werden, als das hier Gebaute ein scheinbar kulturunabhängiges Normalbild agglomerierten Siedlungsbreis bietet, primär geprägt durch markante Werbebeschriftungen, Werbefahnen, Plakatwände und öde Parkplätze. Von den grafisch etwas ansprechenderen Gebäudebeschriftungen früherer Zeiten sind allenfalls Relikte geblieben.

Seiner Anlage nach entspricht die Achse dem amerikanischen Strip mit seiner planerischen Logik, ist in grossen Teilen jedoch Wildwuchs. Neben den an solchen Achsen üblichen Juwelen – von der streamline-designten Tankstelle bis zu dem elegant-imposanten Schaufenstern diverser Autogaragen im besten 60er-Jahre-Design (es waren alle Automarken hier vertreten, auch alle Erdölkonzerne), von stilistisch leicht dem Heimeligen angepassten zwei- bis dreigeschossigen Wohnhäusern mit Gärtchen bis zu Unité-Nachahmungen – scheinen immer wieder ganz spezifische Reminiszenzen an unterschiedlichste Zeiten auf. Einen markanten Akzent setzt die auf einer kleinen Anhöhe postierte alte Kirche, die erahnen lässt, dass hier einst ein «normales» Dorf existierte, fast schon romantisch gelegen am Fusse des Hügels, an der langen Reihe der Spycher mit zugehörigem Bauernhaus. Und wenn man dann etwas genauer hinschaut, dann findet man auch einige echte architektonische Highlights. So zum Beispiel die Anlage des Wohn- und Geschäftshauses Zentralstrasse 14 von Gisbert Meyer (1902–1966), die mit hoher Qualität neue Massstäbe für die autogerechte Siedlung setzte. Schliesslich, als das architektonische Highlight der ganzen Achse, der Hauptsitz der Firma Schindler, die sich hier in den 1960er-Jahren niedergelassen hat. Alles in allem und fast schon emblematisch zeigt sich die funktionalistische, autogerechte Stadtvision, auch wenn sich das Planungsmodell «leider» nicht auf ganzer Linie durchsetzen konnte.

Es ist die verwischte Spur der entlang einer Eisenbahnlinie geplanten linearen Stadt nach Soria y Matas Antithese zur Gartenstadt. Vor diesem Hintergrund scheint es wenig verwunderlich, dass sich dann, direkt angrenzend an den Komplex der Firma Schindler, die Mall of Switzerland niedergelassen hat, sozusagen als Kulmination der autozentrierten Konsumgesellschaft. Dass dies allerdings so spät, nämlich erst 2017 geschah, passt zur dispersen wirtschaflichen Entwicklung in den entlang der Dorfkerne aufgereihten Gewerbegebiete, hat aber nur teilweise etwas mit dem langwierigen Planungsprozess zu tun. Und schon bei der Eröffnung wurden kritische Stimmen laut, die warnten, dass die Zeit der Shoppingcenter vorüber sei. Doch derlei Ahnungen wurden und werden bis heute weitgehend verdrängt, davon später.

Typus und Programm

Während die Kirche und vor allem die Anlage der Firma Schindler mit ihrem Turm gut sichtbar sind, braucht es doch ein waches Auge, wenn man die Mall of Switzerland finden will. Sie steht einem als ein Gebäudekomplex gegenüber, der jede andere Verkaufs- oder Gewerbenutzung beinhalten könnte und eigentlich nicht spezifisch nach aussen wirken soll. Damit steht das Gebäude in seiner äusseren Erscheinung in der Tradition vieler Shoppingzentren, deren Äusseres vielmehr als Rückseite und deren gedeckte innere Erschliessungsachse als Herzstück verstanden wurde. Die Bezeichnung Mall, scheinbar der Pall Mall in London entlehnt, impliziert hohe Ansprüche – und dies erst recht, wenn es dann noch die Mall of Switzerland wird. Tatsächlich aber handelt es sich eher um eine Pervertierung der Markthalle. Brands verkaufen in starren Räumen, es ist eigentlich die Ansammlung zweidimensionaler Scheinwelten, komprimiert in marketinggetriebenen Logos. Es sind beschützte, das heisst sichere Räume hinter inszenierten Auslagen. Kaum Spontanität, kein schneller Wechsel, keine «frischen» Produkte, überdesignte Objekte mit dem Charme der leichten Wiedererkennbarkeit. Das führt zum ästhetisierten Totschlag, zum Konsumrausch jenseits eines kontemplativen Genusses. Von der Markthalle / dem Markt zum Einkaufszentrum, zur Mall wird ja oft die typologische Herleitung gesucht. Von der Markthalle bleibt allerdings gerade mal die Leichtigkeit der Konstruktion, die gut hinter glatten Oberflächen ohne Makel versteckt wird. Diese Makellosigkeit wird zur Kompensation des nicht existenten Austausches. Interaktion, wie sie in städtischen Markthallen stattfindet, fehlt. Ihr wird die inszenierte Scheindynamik der Erschliessung gegenübergestellt.

Einschub: der neoliberale Handshake

Der Handshake zwischen Ronald Reagan und Margaret Thatcher in Camp David in den frühen 1980er-Jahren ist ein Sinnbild der neoliberalen Befreiung, die den Konsum als höchsten Wert eines rücksichtslosen Liberalismus erst ermöglicht hat. Die Mall of Switzerland ist dazu sozusagen das gebaute Manifest, typisch für die Schweiz und insbesondere die Zentralschweiz mit einiger Verspätung zwar, dafür aber, so sollte man meinen, sorgfältig durchdacht. Und selbst wenn das Ende schon absehbar war, wurde die Kohle fröhlich verbrannt. Es hätte ja sein können, dass sich die ultimative Mall der Schweiz in Verbindung mit dem Entertainment der dort installierten Indoor-Surfwelle – denn die Hoffnung auf den Erfolg der angeschlossenen Kinos war auch schon eher gewagt – dem ewigen Leben angenähert hätte.

T-Shirt-Architektur – das Aussen

Wenn Sie sich nun dem Komplex – nach Beschrieb der Architekten bestehend aus dem Einkaufszentrum mit der «weichen und fliessenden Fassade» und dem «Freizeitgebäude mit dem Kinokomplex als monolithischer Baukörper» – annähern, dann werden Sie, von Luzern mit dem Bus oder Auto her kommend, von einem einigermassen gut proportionierten öffentlichen Raum empfangen. Sollten Sie allerdings mit dem Auto von der anderen Seite zufahren, dann geht es direkt ins Parkhaus, mit Empfangenwerden ist da also nicht zu rechnen. Wer sich zu Fuss, per Rad oder Bus in die Suburbia gewagt hat, steht nun vor den beiden markanten Baukörpern. Falls Sie jedoch erwarten, dass sich hinter der mit einem weissen T-Shirt bekleideten «weichen» Gebäudehülle die verspielte Freizeitwelt auffinden liesse, werden Sie enttäuscht. Unter diesem Kleidungsstück, dessen Saum sich leicht vom Boden löst, schlüpfen Sie hinein in die Konsummaschine. In der benachbarten, rechteckigen und architektonisch belanglosen Kiste würde Sie die Surfwelle empfangen, notabene mit einem ebenso belanglosen Innenleben, das als Umbau eines alten Industriegebäudes durchaus reizvoll wäre, als Neubau mit der Dynamik des bewegten Wassers jedoch keinen Dialog zustande bringt. Aber zurück zur soften Bubble mit Beat Wyss’ Aussage in die Welt als T-Shirt: «Die Ästhetik der ‹Anwenderfreundlichkeit› ist ausgebrochen. Jedes Gerät [als solches wird die Mall ja auch verstanden, Anm. d. Autors] wird tendenziell zum bequemen Kleidungsstück, nicht mehr Vehikel, sondern Software, die meine Bedürfnisse per Knopfdruck befriedigt. […] Nicht zufällig ist die Kleidermode für die Familie auf den farbigen, pflegeleichten Pyjama gekommen, ‹Just casual›: Das T-Shirt kann nicht gross genug sein, die Schlabberhose nicht weit genug. Nichts soll einengen beim Schlendergang der Kleinfamilie durch die autofreien Einkaufsstrassen; Softeisflecken gehen bei der nächsten Tumblerwäsche weg.»1

Nein, das hat Beat Wyss nicht nach dem Bau der Mall of Switzerland geschrieben, sondern schon 1997. Aber es charakterisiert treffend die Ästhetik einer medial banalisierten Kommerzwelt. Die Seifenblase fasziniert durch das sich dauernd verändernde Lichtspiel, sie lässt aber den Durchblick frei, höchstens mit ein paar Verzerrungen. Diese Bubble bleibt opak, daran ändert dann auch das Lichtspiel der nächtlich hinterleuchteten Membran nichts.

Spuren der Erosion – das Innen

Und dann tauchen Sie ein in diese Innenwelt, die sich von der scheinbaren Formlosigkeit der Bubble völlig verabschiedet. Als Architekt oder Architektin werden Sie wohl schnell an Piranesis Carceri d’invenzione erinnert, die erfundenen Kerker, wenn auch mit einem Anflug von sentimentalem Bedauern angesichts dieser wenig gelungenen Vereinfachung einer labyrinthischen Traumwelt. Die Traumwelt der Mall beschränkt sich auf die zentrale Halle mit ihren beiden Armen, deren Anlage erahnen lässt, dass hier vorrangig der Maximierung an vermietbarer Fläche Rechnung getragen wurde, und dies zu Ungunsten einer strukturell nachvollziehbaren Logik und eines räumlichen Zusammenhalts. Die schon im Entree suggerierte räumliche Vielfalt oder Differenziertheit wird in der Folge durch das endlose Abknicken der Ladenfronten bis zum Exzess weitergetrieben. Das einzige Ziel bleibt wohl die Verheissung, dass noch andere Brands in der schier endlosen Abfolge irgendwo auffindbar sein sollten. Von Piranesi also bitte nur so viel, dass der Überblick nicht ganz verloren geht, sonst wären wir ja im Kerker selbst angelangt. Und dann bitte auch nur so weit, dass Effizienz gewährleistet bleibt, sprich die Kosten nicht überborden. Die langfristige Tauglichkeit eines solchen Gebäudes zu erhöhen, entsprach wohl nicht den obersten Zielen der gerade vorherrschenden Marketinglogik.

Wenn wir einen Blick auf den Grundriss der Mall werfen, dann kommt die nächste grosse Referenz, nämlich der Plan libre von Le Corbusier. Der gewählten Adaption der Stützen-Plattenkonstruktion gelingt es nur beschränkt, eine spannungsvolle Dialektik zwischen dem «umschlossenen» und dem «freien» Raum aufzubauen. Die Systematik des Stützenrasters wird nicht als Ausgangslage verstanden, in die sich die Erschliessungsfigur einnistet, sondern die Erschliessungsfigur erhält ihre eigene strukturelle Logik, die Spannung verpufft weitgehend. Was bleibt, ist ein relativ willkürliches Nebeneinander mit der prioritären Akzentuierung der Erschliessung, das Ineinandergreifen bleibt formalistisch. Möglicherweise wurde dies ja auch gesucht, um dem absoluten Primat der «Schaufenster» gerecht zu werden. Dies wird nun allerdings zum ästhetischen Problem, wenn plötzlich relativ umfangreiche Flächen nicht mehr genutzt sind. Da werden tiefe Wunden sichtbar, der Screen dieser Abfolge von branding-geprägten Display wird aufgebrochen. Das gängige und konstruktiv, sprich tektonisch sehr schöne Rollgitter schafft es nicht, dieser räumlichen Auflösung entgegenzuwirken. Und der Versuch mit den perspektivischen Bildern von Ladenauslagen, auf die verschlossenen Zugangstüren geklebt, sind zwar  auf den ersten Blick wirksam, sind aber dann schnell als Prothesen entlarvt.

Einschub: Die Ästhetik des Zerfalls

Es ist nachvollziehbar, dass das Ruinöse des einsetzenden Zerfalls nicht mit dem Marketing der Betreiberfirma vereinbar ist. Allerdings wird auch sichtbar, dass es schon von Anfang an gestalterische und auch räumliche Strategien gebraucht hätte, um den Wandel zu tragen. Dass dies kein Hirngespinst ist, lässt sich durch historische Präzedenzfälle belegen. Das grosse Beispiel ist John Soanes (1753–1837) Entwurf der Bank of England respektive das Bild seines Entwurfes von Joseph Michael Gandy (1771–1843) aus dem Jahr 1830. Hier tritt, wenn auch in der späteren Wiedergabe leicht idealisiert, die Ruine als Entwurfsstrategie zutage. Dieses entwerferische Evaluieren der Wandelbarkeit scheint Anfang der 2000er-Jahre im Mainstream der Architektur keinen Stellenwert zu haben. Gerade in scheinbar hochflexiblen Gebilden wie der Mall (wobei sich der Begriff hochflexibel nur auf die Verteilung der Mietflächen bezieht) wäre ein solches Erwägen und Ausloten äusserst hilfreich, um Veränderungen nicht nur im Hinblick auf die vor Ort vertretenen Brands annehmen zu können, sondern auch im Hinblick auf andere Nutzungen jenseits der reinen Verkaufsfunktion. Was bleibt, ist eine auch architektonisch wenig zukunftsfähige Masse an Beliebigkeit, günstig, wenn nicht billig gebaut, mit einer ästhetischen Oberflächlichkeit, deren Zerfall wohl kaum als visuelle Qualität zum Tragen kommen kann. Um daraus kraftvolle Bilder zu generieren, bräuchte es dann schon einen Jean-Luc Godard (1930–2022) oder noch besser einen Andrei Tarkowski (1932–1986). Insofern lässt sich die Mall als banale Frühform digitaler Zweidimensionalität bezeichnen.

Von Utopia zu Dystopia

Ebikon entlang des Strips hat heute ein Ambiente, das durch eine Vielzahl von Orten am Übergang vom Utopischen zum Dystopischen geprägt ist. Dies gilt selbst für die eingangs erwähnte, immer weniger frequentierten Dorfkirche. Sie sind die repräsentativen Boten einer vergangenen Epoche und kaum wandelbar. Dann folgt die autogerechte Siedlung von Gisbert Meyer, als Ideal durchaus dystopisch belegt, allerdings hochgradig adaptierbar an neue Lebensmodelle. Danach als ein Beispiel, das der Entwicklung letztlich weichen musste, das von Walter Rüssli entworfene, erst 1977 fertiggestellte Kirchenzentrum Höfli. Aufgrund des rückgängigen Raumbedarfs wurde der architektonisch qualitätvolle Bau 2017 durch einen kleineren Neubau von Alp Architektur Lischer Partner ersetzt. Und unmittelbar vor der Mall gelegen schliesslich das Fabrikgelände mit dem Hauptsitz der Firma Schindler. Die repräsentative, architektonisch gelungene Anlage der Architekten Roland Rohn (1905–1971) und Carl Mossdorf (1901–1969), fertiggestellt 1957, wurde in den 2000er-Jahren gerade im Bereich des Fabrikeinganges massiv verändert, leider im Sinne einer global gängigen Ästhetik – glatt und glänzend. Es ist natürlich erfreulich, dass das international tätige Unternehmen am Standort in Ebikon festhält, aber mit dem ästhetischen Wandel verwischt die Belanglosigkeit dieser verspiegelten Allerweltsarchitektur die Kraft des Bestandes.

Der aktuell letzte Fall ist jener der Mall of Switzerland, wobei hier der Ausgang nicht ganz so harmlos werden dürfte wie bei den oben genannten Fällen. Denn im Unterschied zu anderen Shoppingcentern der Region könnte in diesem Fall der scheinbar logische Standort zum Problem werden. Die Mall of Switzerland liegt weder direkt an einer Autobahnausfahrt noch an einer Schnittstelle von Gewerbe- zu Wohngebiet. Ihr kommt also keine übergeordnete städtebauliche Bedeutung als öffentlicher Begegnungsraum zu. Vielmehr ist sie umgeben von meist gesichts- und charakterlosen Gewerbebauten sowie einer Vielzahl von gedeckten Autounterständen, scheinbaren Dauerprovisorien für Occasions- oder Neuwagen, alles in allem einer geordneten Unordnung. Der Strip ist geprägt durch gestalterische Belanglosigkeit, umso mehr wirken die wenigen kristallinen Einschlüsse hochwertiger Architektur. Die Mall of Switzerland hat versucht, sich als Perle einzufügen. Die gestalterische Metapher des übergestülpten T-Shirts hat jedoch ihre Wirkung längst verloren. Es fehlt neben einem langfristig tragfähigen Bild jede Komponente einer potenziellen individuellen und temporären Aneignung – Aspekte, die sich in der Geschichte der Urbanisierung als vital erwiesen haben.

Interessant bleibt die Erkenntnis, dass sich auf diesem insgesamt kleinen Areal eines langgestreckten Vorortes der Stadt Luzern das Utopische kontinuierlich zum Dystopischen transformiert. Gleichzeitig scheint das Dystopische aber immer auch das Utopische zu beflügeln. Inwieweit dies auch in Zukunft so sein wird, bleibe mal dahingestellt. So könnte sich hier die Widerstandskraft unterschiedlicher baulicher Nutzungskonzeptionen, im Sinne funktionierender Gebäudetypologien zeigen. Und zwar gerade in Zeiten des rasanten digitalen Wandels unserer Gesellschaft, denn dies sind die Zeiten, in denen der personalisierte Bildschirm mehr Wirkung haben wird als die physischen Horte des Konsums.

Alle Fotografien von Federico Farinatti

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